In Zeiten, da das papierlose Büro, die kreidefreie Smartboard-Schule, die digitale Zeitungslektüre alltäglich werden und die Druckerzeugnisse der Gutenberg-Zeitalters von der Turing-Galaxie in ihr digitales Archiv übernommen werden, soll hier an Karl Kraus erinnert werden: Moralist, Berserker, Sprachkünstler, Sprachdiener, Sprachkritiker.
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Denkmäler…
sind herausragende Stein- oder Bronze- oder halb Stein- halb Bronzegebilde, die bädekergeleitete Reisende gern ansteuern, um etwas über die Geschichte des touristischen Ziels und über die historische Rolle einer Denkmalsfigur zu erfahren. Der Reiseführer kann hier Auskunft geben. Gelegentlich übertrifft die künstlerische Bedeutung einer monumentalen Skulptur die Leistungen der Dargestellten erheblich.
Arbeiterkampftag – Der Erste Mai
Maifeierlichkeiten als Teil der politischen Sozialisation
Ich muss sieben oder acht Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal Mitte der fünfziger Jahre auf dem Karlsplatz, wo wochentags immer Markt war, mit meinem Vater an einer Kundgebung am ersten Mai teilgenommen habe. Dass ich mich vergleichsweise lebhaft daran erinnere, hat wohl damit zu tun, dass die Redner laut und heftig , die Zuhörer begeistert und parolenfreudig waren, dass Fahnen geschwungen wurden, vornehmlich rote, und dass gesungen wurde. Ich glaube, es war ein Arbeiterchor, Solisten waren damals bei Massenveranstaltungen eher unerwünscht. Ich kann mich nicht entsinnen, was gesungen wurde, aber „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ ist eine ziemlich risikoarme Annahme.
Lektüren des Grauens
Es gibt Leseerlebnisse aus der Jugend, an die man sich – wenn überhaupt – nur bruchstückhaft erinnert. Gelegentlich aber erhält wieder Farbe, was verblasst war: Eine Reise war geplant. Nach Bergamo und Bologna, dann nach Neapel. Es kam anders.
Der Zoch kütt, hoffentlich!
Es ist Ende Februar 2020 und der Karneval, seit 2014 als immaterielles Kulturerbe auf der Unesco-Liste, ist lange schon im anschwellenden Taumel, die diesjährige Session erlebt mit den großen Zügen am Rosenmontag ihren Höhepunkt, wenn es der Klimawandel zulässt. Aber am Aschermittwoch lässt sich der am Martinstag 2019 erwachte Hoppeditz in Düsseldorf unter wehmütigsten Trauergesängen im Garten des Stadtmuseums begraben. Fröhlichkeit ist ansteckend und so hat die Karnevalsidee auch außerhalb des Rheinlandes viele Anhänger gefunden. Lokale Faschingstraditionen werden insbesondere in katholischen Gegenden Jahr für Jahr gepflegt. „Der Zoch kütt“ aber auch in protestantisch geprägten Städten. Weiterlesen
Heimatkunde
… war einmal ein Grundschulfach mit dem Zweck, ein geistiges Wurzelgefühl (E. Spranger) und Bodenverbundenheit zu vermitteln. Weiterlesen
Sankt Martin war ein guter Mann
Der November ist gewöhnlich ein trister, nebliger Monat, in dem der Rheinländer den Hoppediz erwachen lässt, den Geist des Karnevals, ein Antidot gegen aufkommende Winterdepressionen. Eine milde Prophylaxe für Kinder sind am Niederrhein die Laternenumzüge, die in diesem Landstrich zu Ehren des Heiligen Martin von Tours zumindest den Abend des 10.11. erhellen.
Vor über sechzig Jahren
Ich oute mich sogleich als Martinszugsozialisierter, der schon als i-Dotz (rheinisch für Erstklässler) der Katholischen Volksschule in der Helmholtzstraße in der Düsseldorfer Friedrichstadt am Vorabend des Martinstages einen Lampion von der Schule an unserer Pfarrkirche St. Antonius vorbei zum nahegelegenen Fürstenplatz getragen hat. Die elaborierteren Lampions waren rundgefältelt, in warmem Gelb mit einem aufgemalten freundlichen Mondgesicht. Ich hatte etwas Einfacheres. Weiterlesen
Immer schneller
Der Blitzzug
Quer durch Europa von Westen nach Osten rüttert und rattert die Bahnmelodie.
(Detlev von Liliencron, 1903)
Die Fahrgeräusche der Blitzzüge unserer Zeit sind erstaunlich gedämpft, das Tempo der Sprinter von Berlin nach München erreicht gelegentlich 300 km/Std.! Kaum haben wir Berlin verlassen, sind wir in Halle, im Nu in Erfurt und eine Stunde später stehen wir, nachdem uns der ICE ausgespuckt hat, in der Lorenzkirche in Nürnberg. Entschleunigt wurde unsere Fahrt nur durch eine Umleitung wegen eines „Notfalleinsatzes am Gleis“, ein Euphemismus für „Suizid“; einmal war der „Zugchef“ zu Klartext aufgelegt und verstörte die Fahrgäste mit der Durchsage „Leichenfund auf der Strecke“. Weiterlesen