Denkmäler…

Reiterstatue Marc Aurels auf dem Kapitolsplatz in Rom

sind herausragende Stein- oder Bronze- oder halb Stein- halb Bronzegebilde, die bädekergeleitete Reisende gern ansteuern, um etwas über die Geschichte des touristischen Ziels und über die historische Rolle einer Denkmalsfigur zu erfahren. Der Reiseführer kann hier Auskunft geben. Gelegentlich übertrifft die künstlerische Bedeutung einer monumentalen Skulptur die Leistungen der Dargestellten erheblich.

Kaiser Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz

Mit Denkmälern machen sich Nachgeborene ihren Vers auf die Vergangenheit, in der Regel verklärend. Oft nutzen Unbekümmerte die Stufen zum Sockel, auf dem die Verehrten, gern zu Pferde, gewürdigt werden, zum Ausruhen, Flirten, Picknicken, für die Zeitungslektüre oder auch, um ein Wegbier in Ruhe zu genießen; viele begeben sich auch einige Schritte vor die Sehenswürdigkeit, wenden ihr den Rücken zu und lassen sich auf dem obligatorischen Selfie von Marc Aurel, Jeanne d’Arc,  Kaiser Wilhelm, Lenin, Turkmenbashi oder Bomber Harris über die Schulter schauen. Ach, glückliche Zeiten, in denen Unwissen Denkmäler zu Rendezvous- und Pausenplätzen, zu Gruppentreffpunkten degradieren konnte.

In der Diskussion: Bismarck in Hamburg

In der allergegenwärtigsten Gegenwart hingegen sind die Monumente manchen nur noch Steine des Anstoßes. Vermeintlich verewigte Sklavenhalter, Kolonialisten, Gewaltherrscher, Militaristen, Rassisten (wie Immanuel Kant) aller Couleur (auch das schon eine zweifelhafte nicht PCförmige Formulierung), katholische Heilige, Fleischesser, männliche heteronormative Lyriker, kurz: vermeintlich Verewigte sollen weichen, um unsere Welt zu einer besseren Welt zu machen. Allerdings entspringt die bilderstürmerische Forderung einem etwas geschichtsfernen, teilweise ignoranten, teilweise hypermoralischen Denken, das sich die Vergangenheit vereindeutigen und damit eindimensional zurechtmachen will. Wäre es nicht sinnvoll, überkommene Denkmäler stehen zu lassen, in einen dokumentierbaren Kontext einzuordnen und eine kritische öffentliche Präsentation als Impuls für eine Auseinandersetzung mit den Widersprüchen der Vergangenheit und Gegenwart zu nutzen? Wie aber kann das konkret aussehen?

In Italien, wo sich der Faschismus nicht in demselben Maße diskreditiert hat wie in Deutschland, gibt es seit Kriegsende Streit darüber, wie man mit den Denkmälern aus der Ära Mussolinis umgehen sollte. In Bozen/Bolzano beispielsweise prangt(e) der Duce auf einem 200 m² großen Relief. Zu Pferde hebt er die Hand zum römischen Gruß. Unter der Figur steht eine Parole des Faschismus: „Credere, obbedire, combattere“ („Glauben, gehorchen, kämpfen“). Das Gebäude mit dem riesigen Relief ist aus weißem Stein, breit und hoch, abweisend wie der ganze Platz, an dem es steht. In der Neuen Zürcher Zeitung schreibt Ruth Fulterer: „Wer an den Treppenstufen und Säulen hochschaut, fühlt sich klein und unbedeutend. Das ist kein Zufall, sondern kalkuliert. Gemeinsam mit dem gegenüberliegenden Gericht bildet das als Parteisitz der Faschisten geplante Gebäude ein in Europa besonderes Ensemble. Selten geben Bauten so klar die totalitäre Auffassung der Gesellschaft wieder.“ Erstaunlich ist, dass das Relief erst in den frühen fünfziger Jahren fertiggestellt wurde und später nicht abgenommen und ins Depot verbannt wurde. Dass es bis heute verschont wurde, liegt vermutlich daran, dass es vor drei Jahren umgestaltet wurde.

Nun überschreibt und kommentiert ein Satz von Hannah Arendt die ursprüngliche Inschrift und Aussage der Faschisten auf Deutsch und Italienisch: „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen.“ Bis es dazu kam, war das Relief ein Zankapfel zwischen deutschsprachigen Sezessionisten und italienischen Nationalisten, während die Mehrheit der Bozener mit den Schultern zuckte. Bis zur Umgestaltung wurde die Debatte in jedem Wahlkampf wieder hochgespielt. Als die Installation 2017 angebracht wurde, gab es natürlich Kritik von radikalen Rechten auf beiden Seiten. Hannah Arendts Ausspruch lautet vollständig übrigens: „Kein Mensch hat bei Kant das Recht zu gehorchen.“ Die Philosophin äußerte ihn in einem Interview zum Eichmann-Prozess, nachdem sich Eichmann mehrmals auf Kants Pflichtbegriff berufen hatte, um seine Verbrechen zu rechtfertigen. Bleibt zu hoffen, dass der Bozener Umgang mit dem Denkmal eine Anregung ist, um die überhitzten, oft argumentarmen Diskussionen über die Schleifung von Monumenten abzukühlen.

Auch in den Konsumtempeln der Moderne werden Denkmäler errichtet: monumental, bunt und mit politisch korrekt gewähltem Modell.

Louis-Vuitton-Store im Kadewe (Berlin).

 

 

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