Quilitz, Marxwalde, Neuhardenberg

An Denkmälern für Friedrich II. fehlt es nicht, vom monumentalen Reiterstandbild Unter den Linden, das den Feldherrn und Herrscher in Uniform und Hermelin zeigt, bis zur Statue auf dem Friedrichshagener Marktplatz, die daran erinnert, dass der König das Kolonistendorf Friedrichsgnaden (!) für Baumwollspinner aus Böhmen und Schlesien gründen ließ.

Das erste Friedrich gewidmete Denkmal überhaupt ist nur durch die Inschrift am Sockel als solches erkennbar. Es zeigt den Kriegsgott Mars (Ares) auf Knien vor Minerva (Athene), der Göttin der Künste und Wissenschaften, die seinerzeit Perseus einen verspiegelten Schild überlassen hatte, mit dem er erfolgreich die Medusa unschädlich machen konnte. Daran erinnert der Bildhauer.

Wir befinden uns in Neuhardenberg, vormals Marxwalde, noch früher Quilitz.1348 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt, 1763 erhielt ein von Prittwitz das Gut als Dank für die Rettung des Königs in der Schlacht bei Kunersdorf. Diese endete aufgrund einiger Fehlentscheidungen Friedrichs mit einer Niederlage. Hier sei einmal Wikipedia zitiert: Die Verluste seiner Armee beliefen sich auf über 19.000 Mann, darunter 6.179 Tote. 28 Fahnen, eine große Anzahl Geschütze und 110 Munitionswagen waren verloren gegangen. Mithin hatte Friedrich über 40 % seiner Soldaten verloren. Die Russen verloren 566 Offiziere und 13.615 Mann, die Österreicher 116 Offiziere und 2.215 Soldaten. Ein Gemetzel! Natürlich sollte man Denkmäler dieser Art stehen lassen, aber eine Tafel mit Erläuterungen wäre keine schlechte Idee.

Nach 1800 geben sich in Quilitz namhafte Persönlichkeiten ein Stelldichein. Der noch ziemlich unbekannte Karl Friedrich Schinkel baut das Schloss um und gestaltet den bei einem Brand vernichteten Dorfkern mit Schule, Pfarrhaus und Kirche neu. Wir treffen im Park eine Schar von aufgeregten Jungen und Mädchen samt ihren Müttern, die die Schultüten tragen und allesamt auf dem Weg zur Einschulung sind. Dem Augenschein nach Flüchtlingsfamilien, die hier Unterkunft gefunden haben. In der Dorfkirche finden regelmäßig Konzerte statt, zur Zeit coronabedingt allerdings nicht. Alle Veranstaltungen sind in ein großes Zelt im Schlosspark verlegt. Dieser wurde von Peter Joseph Lenné gestaltet, auch Fürst Pückler-Muskau, ein Schwiegersohn des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, in dessen Besitz das Anwesen inzwischen übergegangen ist, soll mitgewirkt haben. Nun heißt es also Neu-Hardenberg.

Ein Urgroßneffe des Reformers, Carl Hans Graf von Hardenberg, gehörte zu den Männern des 20. Juli und stellte sein Schloss für deren Treffen zur Verfügung. Er wurde 1944 zwar enteignet, überlebte aber das Nazi-Regime. Die Schlacht um die Seelower Höhen forderte in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs unzählige Menschenleben. Ein sowjetisches Ehrenmal vor dem Schloss erinnert an die jungen russischen Soldaten, die hier ihr Leben ließen.1945 erfolgte eine erneute Enteignung von Hardenbergs durch die sowjetische Besatzungsmacht und am Tag der Arbeit, dem 1.Mai 1949, schüttelte die DDR den ungeliebten feudalen Namen ab und nannte den Ort Marxwalde. So hieß er bis zur Rückkehr zum alten Namen 1990. Das Schloss wurde der Familie von Hardenberg rückübertragen, diese verkaufte es an den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband. Die Nutzung liegt nun bei der Stiftung Schloss Neuhardenberg GmbH.

Aber eigentlich sind wir ja nicht zum Geschichtsseminar hergekommen, sondern zu einem literarischen Abend. Klaus Maria Brandauer liest eine selbst erstellte Text-Collage über die Figuren Faust und Mephisto, aber auch Prometheus kommt nicht zu kurz. Natürlich kommen die Zueignung, der Osterspaziergang und „Habe nun, ach, Philosophie…“ zu Gehör, auch Fausts letzte Worte vor dem Dahinscheiden „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! Es kann die Spur von meinen Erdentagen Nicht in Äonen untergehn. – Im Vorgefühl von solchem hohen Glück Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick.“ Mephisto reibt sich schon die Hände, weil Faust die Formel endlich ausgesprochen hat und er glaubt, die Wette gewonnen zu haben. Doch Goethes Gott ist ein Grammatiker. Weil Faust den Konjunktiv benutzt, kann seine Seele gerettet werden. Brandauer zieht alle Register seiner Sprechkunst, er schmeichelt (Gretchen), donnert (Prometheus), piepst (Knabe im Erlkönig), klagt (Faust) und begeistert die anwesenden pensionierten Deutschlehrer, weil sie andauernd etwas wiedererkennen. Ach ja, wie schön war das, als wir mit den Schülern…o je, Schülerinnen waren natürlich auch dabei, sogar in der Mehrzahl.

Arno Waschk begleitet am Flügel mit Musikstücken von Bach bis Schönberg. Letzeres unterstreicht eine Textpassage aus „Dr. Faustus“ von Thomas Mann.

Das anschließende Bier wird unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln in der Brennerei getrunken. Es ist immer noch 28 Grad warm.

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, barfuß durchs taufeuchte Gras; Pfarrer Kneipp hätte seine Freude daran. Im Staudengarten spätsommerliche Bepflanzung mit Rotem Sonnenhut, Fetter Henne und Gräsern. Auch Spalierbirnen gibt es und Klaräpfel. Krähen vertreiben einen heransegelnden Raubvogel, vielleicht ein Bussard. Noch ist es kühl.

 

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