Heimatkunde

Die Müngstener Brücke (Foto vom 20.7.1958)

… war einmal ein Grundschulfach mit dem Zweck, ein geistiges Wurzelgefühl (E. Spranger) und Bodenverbundenheit zu vermitteln.Wer einst sich mit einem roten Plastiktäschchen, in dem die Großmutter ein Leberwurstbrot deponiert hatte, zur Müngstener Brücke aufgemacht, kurze Zeit  später auf  Schloß Burg, dem Sitz der stolzen Grafen zu Berg, seine erste schimmernde Ritterrüstung mit geschlossenem Visier bestaunt und dabei erfahren hat, dass Graf Adolf von Berg den Kölner Erzbischof Engelbert bei der Schlacht von Worringen (1288) aufs Haupt geschlagen bzw. in die Knie gezwungen hat, was die Erhebung eines Fischerdörfchens am Rhein zur Stadt nach sich zog, wird von all dem, so er ein für derlei empfindsames Kind war, zeitlebens gezeichnet und, horribile dictu, dem Lokalpatriotismus verfallen sein.

Schloß Burg

Ah ja, die Heimatkunde. Sie ist beim Kritischen Bewusstein nicht wohlgelitten. Es weiß, spätestens seit 1968, dass dieses Fach, „auf ländliche Idylle orientiert“ (E. Conwitz) in einer industriell geprägten Lebenswelt keine realistische Orientierung mehr bieten konnte. Also wurde es in der BRD in fast in allen Bundesländern um 1970 herum abgeschafft, in der DDR erst Ende 1989.  Heimatkunde galt und gilt als rückwärtsgewandt, sie fördere spießige Krähwinkelei und setze arglose Kinder auf eine abschüssige Bahn mit dem Start Lokalpatriotismus, der Zwischenstation Vaterlandsliebe und dem Endpunkt chauvinistischer Nationalismus. Und wer ist schuld daran? Die deutsche Kleinstaaterei (rund 300 Staaten bildeten nach dem 30jährigen Krieg das Heilige Römische Reich) vielleicht? Eher das Gegenteil. Nicht wenige nämlich, die in deutschsprachigen Bonsaiterritorien lebten, empfanden es als Zumutung unter preußischer oder habsburgischer Fuchtel zu Klein- oder Großdeutschland vereinigt werden: „Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche, vergebens; bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus“. Klingt eigentlich nicht borniert, sondern weltoffen und nach Hölderlin. Ist aber von Goethe.

 

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