„Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh ?“

Einige Reisenotizen zu Oberschlesien (Teil II)

Die Annäherung

Wer westlich sozialisiert ist und über sechzig Lenze zählt, der wird noch den guten alten erdfarben gebundenen Diercke-Weltatlas in Erinnerung haben, in dem sich  auf den Seiten 6 bis 8 eine geographische Karte des nördlichen Deutschlands in den Grenzen von 1937 fand. Die südöstlichste Auskragung mit den Städten Beuthen, Hindenburg, Gleiwitz, etwas nördlich noch Oppeln, das war das nach der Teilung 1922 bei Deutschland verbliebene Oberschlesien, Kattowitz gehörte in der Zwischenkriegszeit zu Polen.

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„Wo der rote Himmel glüht im Feuerschein…“ 

Einige Reisenotizen zu Oberschlesien (Teil I)

Was haben Städte wie Bottrop und Wittenberge gemeinsam? Oder Chemnitz und Frankfurt/Main? Sie werben um Touristen, indem sie auf Fördertürme, ein Stellwerk, eine ehemalige Strumpfwirkerei oder das IG-Farben-Haus aufmerksam machen. Dieser neue Ansatz geht von der Frage aus, ob nicht Zeugnisse des Industriezeitalters, die die Lebenswelt des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts widerspiegeln, dasselbe Interesse wecken könnten wie Schlösser und Prachtbauten früherer Zeiten. Schon in den 60er Jahren erkannte das Künstlerehepaar Hilla und Bernd Becher die Aussagekraft und den ästhetischen Reiz von Wassertürmen, Gasbehältern und Fabrikanlagen und begann diese fotografisch zu dokumentieren. Während der Stahl- und Kohlekrise der 70er und 80er Jahre fotografierten sie z.B. Anlagen im Ruhrgebiet, die bald darauf für immer verschwunden waren. Inzwischen macht das Schlagwort von den „Kathedralen der Arbeit“ die Runde und dient vielerorts den Städten zur Selbstvermarktung. Sanierung und Nachnutzung heißt dann meist die Perspektive für die nutzlos gewordenen Kolosse. 

Die Suche nach den eigenen familiären Wurzeln hat die Autoren dieses Reiseberichts nach Oberschlesien geführt, das bekanntlich nach 1945 an Polen fiel. Dort hatten die Industriekomplexe die Zeiten bis 1989 zwar nahezu unbeschadet überdauert, doch inzwischen prägt auch in Bytom (Beuthen) und Katowice (Kattowitz) der Abschied von Kohleförderung und Montanindustrie das Stadtbild.

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Oma kommt aus Schlesien …

Exponat im Deutschen Historischen Museum (Berlin)

…genauer: aus Oberschlesien oder Niederschlesien. Dass zwischen den beiden Teilen der Provinz Schlesien ein großer Unterschied bestand und besteht, ist vielen nicht bekannt. Dass beide Teile, heute aufgeteilt in die Woiwodschaften Opolskie, Śląskie, Dolnośląskie, nicht mehr zu Deutschland gehören, schon eher. Dass es nach dem Zweiten Weltkrieg Bevölkerungsverschiebungen von Ost nach West gab und etwa 14 Millionen Menschen aus den Ostprovinzen des Deutschen Reichs seit Ende 1944 nach Westen flüchteten oder dorthin umgesiedelt, ausgewiesen oder vertrieben wurden – die Wortwahl folgt der jeweiligen weltanschaulichen Optik –, wissen zumindest all jene, die aus einer Vertriebenenfamilie stammen.

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