Als Wien rot war

Mit der U-Bahn-Linie 4 geht es hinaus nach Döbling, in den am Donaukanal gelegenen 19. Gemeindebezirk. Die Endhaltestelle heißt Heiligenstadt, (Mitlesende Musiklehrer denken jetzt natürlich an Beethovens Heiligenstädter Testament). Beim Verlassen des Bahnhofs steht man vor einem gewaltigen Gebäuderiegel, dessen Schauseite freilich erst nach dem Durchschreiten eines Durchgangs sichtbar wird. Karl-Marx-Hof lautet die Bezeichnung der Anlage, in großen roten Buchstaben an der sandfarbenen Fassade auch von weitem gut zu lesen. Nach dreijähriger Bauzeit wurde der 1,2 km lange Monumentalbau 1930 eröffnet. Es war ein Denkmal, das sich die regierenden Sozialdemokraten setzten, wurde zur Ikone des Austromarxismus.Sechs rote Türme mit Fahnenmasten, in der Fachsprache Risalite, die jeweils durch große Torbögen die Verbindung zwischen Straße und Ehrenhof herstellen, akzentuieren die Fassade. In den dreißiger Jahren benutzten jedes Wochenende etwa 40 000 Fußballfans die Durchgänge, um zum Stadion Auf der Hohen Warte zu gelangen. Zeitgenössische Kritiker verwiesen indes darauf, dass das repräsentative Äußere im Widerspruch zur Ausstattung stand. Die rund 5000 Menschen, die in den 1382 Wohnungen lebten, hatten meist nur Zimmer/Küche/Kammer.

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