Im Zentrum der Po-Ebene: Pavia

In kleinen Städten ist Geschichte oft komprimiert. Zeugen der Vergangenheit sind räumlich zusammengedrängt, bequem zu erreichen, nahbar. Von Mailand ist Pavia keine 50 Kilometer entfernt und mit der Regionalbahn gut und günstig zu erreichen. Wenn man die Mailänder Vororte durchfahren hat, öffnet sich die Poebene und der Reiseführer bestätigte später die Ahnung , dass die sattgrünen Felder links und rechts der Strecke dem Reisanbau dienen. Pavia hat heute um die 70 000 Bewohner. Es ist eine der ältesten und schönsten Städte der Lombardei. Die Gegend um Pavia war schon in vorrömischer Zeit besiedelt, wurde von den Römern als Militärstützpunkt gewählt und zur Stadt ausgebaut und mit dem Namen Ticinum versehen. Im 6. Jahrhundert kamen die Langobarden und machten den Ort zum Capoluogo ihres Reichs und für lange Zeit zu einer der wichtigsten Städte in Norditalien.

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Lob der Eisenbahn

Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen. Bei der Verbrennung von Kerosin entstehen nicht nur das Treibhausgas Kohlendioxid und Wasserdampf. Auch Stickoxide, Schwefeldioxid und Rußpartikel gehören zu den Verbrennungsprodukten, die zur Erderwärmung beitragen. Ebenso die Kondensstreifen hinter dem Flugzeug, die je nach Wetterlage entstehen können. Zur Zeit beträgt der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoß etwa 3 Prozent. Er ist durch die so genannten Billigflieger in den letzten Jahren gewachsen und nimmt weiter zu.

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Navigli und Altbekanntes

Das Viertel südlich des alten Stadttores Arco di Porta Ticinese ist von Kanälen durchzogen, die in das alte Hafenbecken Darsena münden. Hier wohnten bis ins 20. Jahrhundert Handwerker, deren kleine Häuser Wohnung und Werkstatt beherbergten. Seit den 1970er Jahren ging es mit dem Viertel bergab, vieles verfiel und verödete, bis der allseits bekannte Prozess der Gentrifizierung einsetzte. In Phase 1 kamen Künstler und Kreative, nutzten den billigen Wohnraum, gründeten Ateliers und Galerien. Cafés und Bars folgten. Phase 2: Die Szene der Amüsierwilligen folgte auf dem Fuße, die Journalisten berichteten, das Ambiente zog Investoren und Touristen an. Heute reiht sich ein Gastronomiebetrieb an den anderen. Menschen mit Rollkoffern laufen, nach ihrer bei Airbnb gebuchten Ferienwohnung suchend, an den Quais entlang, das polyglotte Stimmengewirr spricht für sich. Aber schön ist es doch…

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Tre torri, Sempione, Brera

Unweit von Santa Maria delle Grazie wartet das Kontrastprogramm: ein City Life genannter  neuer Stadtteil mit markanten Hochhäusern der Stararchitekten Daniel Libeskind, Arata Isozaki und Zaha Hadid sowie den von ihnen entworfenen Wohnhäusern. Ein Einkaufszentrum darf nicht fehlen, überraschend ist aber doch der kleine Kräutergarten, in dem gerade die Apfelbäume blühen. Der weitläufige Park wie auch die Einkaufszonen sind autofrei, unterirdisch können 7000 PKW parken. Das Bauland hatte sich ergeben, als die Mailänder Messe im Vorfeld der Expo 2015 ihr Ausstellungsgelände außerhalb des Zentrums neu gestaltete.

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Cenacolo

Und am Abend setzte er sich zu Tisch mit den Zwölfen. Und da sie aßen, sprach er: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.“ Und sie wurden sehr betrübt und hoben an, ein jeglicher unter ihnen, und sagten zu ihm: „Herr, bin ich’s?“ Er antwortete und sprach: „Der die Hand mit mir in die Schüssel getaucht hat, der wird mich verraten.“ Das ist der Moment.

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Tücher mit Bedeutung

Das Zittauer Fastentuch hat eine lange und wechselvolle Geschichte. 1472 wurde es von einem unbekannten Meister (eine Meisterin wäre in diesem Falle extrem unwahrscheinlich) und vermutlich auch einigen Helfern geschaffen. Gestiftet, d.h. finanziert hat es ein Gewürz- und Getreidehändler. Die 6,80 m breite und 8,20m hohe Leinwand ist eine illustrierte Bibel: Sie erzählt in 90 Bildern die biblische Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht. In Deutschland ist es das einzige seiner Art. In der Fastenzeit, also von Aschermittwoch bis Ostersonntag, dienten solche Tücher zur Verhüllung des Altars, in diesem Falle zum Abschluss des gesamten Altarraumes. So sollten die Gläubigen nicht nur körperlich auf etwas verzichten, sondern sozusagen auch visuell hungern und der gesamten Liturgie nur hörend folgen. Im Volksmund hießen solche Tücher manchmal auch „Schmachtlappen“.

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Abschied von Turin

Den Geist, das Fluidum einer Stadt verspüren zu wollen, wenn man nur kurz dort weilt, ist müßig. Nach Turin waren wir gekommen mit der Erwartung, dass die Piemontesen anders seien als die Süditaliener, insbesondere die Neapolitaner: ruhiger, gemessener, vornehmer, distanzierter, selbstbewusster. Ein Klischee, gewiss, aber alle Klischees bündeln Erfahrungen. Klischees verfestigen positive wie negative Urteile zu einem Gesamtbild, das in Reiseführern die Erwartung der Stadtbesucher zunächst bestimmt.

Als wir in Turin waren, im Vorfrühling, hatten nicht übermäßig viele Besucher die Stadt aufgesucht

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Die Alpen sehen

Turin mit Wolfsburg zu vergleichen, erscheint wie eine Majestätsbeleidigung. Und doch haben beide Städte gemeinsam, dass sie über Jahrzehnte vornehmlich als Produktionsstätten von Automobilen wahrgenommen wurden. 1899 gründeten „acht passionierte Automobilisten“, wie es im Reiseführer heißt, die Fabrica Italiana Automobile Torino, kurz FIAT. Zu den ersten Investoren gehörte der Sohn eines Großgrundbesitzers aus einem nahegelegenen Dorf : Giovanni Agnelli. Schon ein Jahr später übernahm er die Geschäfte, wurde Konstrukteur, Rennfahrer, Marketing- und Finanzstratege.

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Mercato Centrale

Es soll sich um einen der größten Lebensmittelmärkte Europas handeln. Unweit des ehemaligen Stadttores, nach dem er auch Mercato di Porta Palazzo genannt wird, findet an allen Werktagen ein quirliger Bauernmarkt statt, wo an der frischen Luft vor allem Obst und Gemüse angeboten werden. In den Markthallen finden sich Bäcker, Fischhändler und Metzger. Gegenüber der alten schmiedeeisernen Markthalle wurde 2019 eine zweite Halle gebaut, die an zahlreichen Ständen ein gastronomisches Angebot bereithält. Die Produkte sind mehr oder weniger dem Slow-Food-Prinzip verpflichtet: regional, saisonal, traditionell. Unter der Restaurantebene befinden sich ehemalige Eiskeller aus dem 18. Jahrhundert, gigantische Iglus aus Stein, die begehbar gemacht wurden und in der Zeit, als wir in Turin waren, eine Ausstellung über Carlo Levi präsentierten.

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Arkaden, Passagen, Plätze

Piazza Statuto und Via Garibaldi

Sich in Turin zu orientieren ist leicht. Vom Bahnhof Porta Nuova aus führt die Via Roma schnurgerade ins historische Zentrum. Man überquert die Piazza San Carlo und gelangt in wenigen Minuten zur Piazza Castello mit dem Palazzo Reale, dem Königspalast. Von dort führt die Via Garibaldi im rechten Winkel nach Westen, die Via Po etwas abgewinkelt nach Osten, zum Fluss. Kilometerlange Arkaden (Portici) schützen den Spaziergänger vor Regen und Hitze, vielfältige Geschäfte laden zur Betrachtung der Auslagen und zum Shopping ein, historische Cafés mit prächtigen Interieurs bieten sich für eine Verschnaufpause an. Und wenn es dann noch Frühling ist, kommen beim Flanieren schnell einige Kilometer zusammen, wie ein Blick auf den Schrittzähler am Abend zeigt.

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