„Lange Ohren, weiche Schnuten – Esel sind charmante Tiere mit viel Humor. Und mit Eseln wandern macht einfach Spaß.“ So wirbt ein Reiseveranstalter in Brandenburg für seine Eselstouren. Sie seien besonders für Familien, gerade auch mit kleinen Kindern, geeignet. Allerdings gelten Esel als eigensinnig, störrisch und faul, zudem nicht gerade hochbegabt, dafür gelegentlich neidisch, jedenfalls, wenn man Goethes Typisierung des Boldewyn in dem Versepos „Reinecke Fuchs“ folgt.
Als der schottische Autor Robert Louis Stevenson 1878 zwölf Tage lang durch die Cévennen wanderte, ließ er sich sein Gepäck von der Eselin Modestine tragen, und er machte die vorhersehbare Erfahrung, dass auch Modestine manchmal wie angewurzelt stehen blieb. Zudem hasst er sich bald selbst dafür, dass er den wohlmeinenden Ratschlägen der Einheimischen folgend, seine Eselin durch kräftige Schläge ermuntern muss, um vor Einbruch der Dunkelheit sein Tagesziel zu erreichen. Aus seinem Reisetagebuch entstand ein Bericht über die manchmal karge und steppenartige, manchmal liebliche Region, der bis heute als Vorbereitung für eine Fußwanderung durch das Gebiet dienen kann. Neben unbeschwerten Passagen finden sich realistische Beschreibungen von Menschen und Landschaft, stellenweise auch Hinweise zur Geschichte der Region, etwa der blutigen Auseinandersetzung zwischen den christlichen Konfessionen.
Heute kann man auf dem über 200 km langen „Stevensonweg“ mit oder ohne Esel dem Autor hinterherwandern. Auch hier steht eine hilfreiche Agentur für die Eselsvermittlung bereit. Wer nämlich in Begleitung eines Esels wandert, „erfährt diesen Weg auf eine bezaubernde und besonders intensive Art. Der graufellige Gepäckträger bestimmt das gemütliche Tempo und wird, insbesondere bei Kindern, schnell zu einem guten Freund, der zum Wandern motiviert.“ Und wenn der graufellige Gepäckträger mal wieder nicht weiter will, bleibt ja immer noch die Lektüre des nächsten Abschnitts in Stevensons Reisebericht.
(Robert Louis Stevenson: Reise mit dem Esel durch die Cévennen. Editions La Colombe 13 €; Original: „Travels with a Donkey in the Cévennes“)