Auf der Via Appia

Paolo Rumiz 2011 (Quelle: Wikipedia)

Wer von Rom nach Brindisi reisen will, kann das Flugzeug nehmen, mit etwas Glück ein Ticket für 9,99 € bei Ryanair ergattern und in 70 Minuten an Ort und Stelle sein. Er könnte auch von Roma Termini mit dem Schnellzug fahren, als Frühaufsteher den günstigsten Tarif (23,20 €) wahrnehmen und für die Strecke gut fünf Stunden aufwenden. Der italienische Journalist Paolo Rumiz entschloss sich zu Fuß zu gehen, brauchte 29 Tage und gab einiges für Übernachtungen und Verpflegung aus.

Das war kein fideles Wandern auf einem Qualitätsweg mit abwechslungsreicher Streckenführung. Auch keine Pilgerreise nach dem Motto „Ich bin dann mal weg“ auf der Suche nach Erlösung. Mit einer Gruppe von Gleichgesinnten suchte Rumiz den Streckenverlauf der alten Via Appia, über 2000 Jahre nach deren Bau, die Mutter aller Straßen, vom Zentrum der Antike bis zu der Hafenstadt, die das Tor nach Osten war.

„Wir haben sie mit Tangenten, Parkplätzen, Supermärkten zugepflastert, sie versteckt sich zwischen Feldern, Steinbrüchen, Stahlwerken, ist mit Toren versperrt, trägt zahlreiche unterschiedliche Namen, und manche gehen mit der Spitzhacke auf sie los, wie der IS auf die antiken Stätten.“ Das Wir in diesem Satz meint die Italiener, genauer gesagt geistlose Bürokraten, korrupte Lokalpolitiker, raffgierige Neureiche und alle diejenigen, denen die Geschichte des Landes und seine Kunstschätze vollkommen egal sind.

Forum Romanunm

Er schildert Einheimische, die nichts mehr fürchten als den Denkmalschutz und die Archäologen, die ihren Bauvorhaben im Wege stehen, Villenbesitzer, die ihre Vorgärten mit antiken Statuen schmücken, die sie irgendwo „mitgenommen“ haben, feindselige Dorfbewohner, die die querfeldein marschierende Gruppe für herumirrende Flüchtlinge halten, aufgebrachte Autofahrer, die auf Schnellstraßen den Fußgängern ausweichen müssen. Dazu  schmerzende Füße, Durst, Erschöpfung. Aber auch eine überwältigende Gastfreundschaft, abendliche Festessen, engagierte Museumsleiterinnen, junge Idealisten, die sich ihnen für eine Zeitlang anschließen, eine sprachlos machende landschaftliche Schönheit, die Freude des Gelingens, als das Meer erreicht ist.

Das Buch soll als Liebeserklärung an Italien und als Weckruf an den besseren Teil seiner Bevölkerung gelesen werden. Der Autor wünscht sich, dass ein Heer von Reisenden, gerne auch Ausländer, es ihm gleichtut. Ihm schwebt so etwas wie der vielbegangene Jakobsweg nach Santiago de Compostela vor, aber mit einer um 1000 Jahre älteren Tradition und viel abwechslungsreicher: Wandern als Rückeroberung dessen, was allen gehört. „Der Mensch hat keine Wurzeln, sondern Füße“!

(Paolo Rumiz: Via Appia. Auf der Suche nach einer verlorenen Straße. Folio Verlag, 25 €)

 

 

 

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