Slow Travel

Milk float (Quelle: Wikipedia)

Dan Kieran hat Flugangst. Als er gebeten wird, bei der Hochzeit seines besten Freundes, die in Polen stattfindet, Trauzeuge zu sein, akzeptiert er und fährt mit dem Zug, von London mit dem Eurostar nach Paris, dann mit dem Nachtzug nach Berlin, weiter nach Warschau. Die Reise wird so etwas wie ein Wendepunkt in seinem Berufsleben als Journalist und Schriftsteller, denn er hat ein neues Thema entdeckt: Slow Travel, langsames Reisen.

In der Folge macht er zahlreiche Zugreisen durch Europa, meist im Schlafwagen: London – Marbella, London – Budapest, London – Venedig, teils mit seiner Frau und dem kleinen Sohn Wilf, und er schreibt darüber. Während der Reise erfindet er Spiele für das Kind, schaut aus dem Fenster oder liest: keine Reiseführer, sondern Romane und Essays, die mit dem Ziel verbunden sind, etwa Stefan Zweigs Die Welt von gestern auf dem Weg nach Wien.

Am bekanntesten ist Kierans Reise mit einem batteriebetriebenen Milchwagen geworden, von Lowestoft, dem östlichsten Punkt Englands, nach Land’s End, dem westlichsten, eine Strecke von 965 km. Er wurde von zwei Freunden begleitet, von denen einer genügend handwerkliche Kenntnisse besaß, um bei Pannen auszuhelfen. Die Reise konnte nur gelingen, wenn sich jeden Abend unbekannte Menschen fanden, die bereit waren, die Batterien kostenlos an ihrem Stromnetz aufzuladen. Sie gelang. Die Hilfsbereitschaft derjenigen, die sie in den Dörfern und Kleinstädten kennenlernten, übertraf alle Erwartungen. Als das seltsame Experiment sich herumgesprochen hatte, wurden sie mancherorts sogar mit Partys empfangen.

Kieran beschreibt sehr eindrücklich, wie ungewohnt diese Art des Reisens war, die im Vergleich zu Fuß- und Radwanderungen nicht nur langsam, sondern auch ohne körperliche Anstrengung erfolgte. Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit des Wagens, 25 kmh, zwang dazu auf Nebenstraßen und Feldwegen zu fahren. Dabei war der Elektromotor so leise, dass er die Wildtiere nicht verscheuchte; Hasen, Kaninchen und Vögel wurden zu Wegbegleitern. „Einmal fuhren wir einen Hügel hinauf und wurden von einer Hummel überholt“. Langsamkeit und Stille werden zu Herausforderungen für Körper und Geist.

Kieran plädiert dafür, jede Reise als Quelle neuer Erfahrungen zu betrachten. „Mach keine Fotos, kauf keinen Reiseführer, lass alle Sehenswürdigkeiten weg, vermeide gute Hotels, heiße Katastrophen willkommen. Das Abenteuer kommt dann ganz von allein“, rät er denjenigen, die vom gängigen Pauschaltourismus enttäuscht sind.

(Dan Kieran: Slow Travel. Heyne Verlag. 9,99 €)

Wie alles anfing: Carlo Petrini gründete die Slow-Food-Bewegung als Protest gegen die Eröffnung einer MacDonald’s-Filiale in Mailand. (Foto: Wikipedia)

Slow travel is an evolving movement that has taken its inspiration from nineteenth-century European travel writers, such as Théophile Gautier who reacted against the cult of speed, prompting some modern analysts to ask, „If we have slow food and slow cities, then why not slow travel?“ Other literary and exploration traditions, from early Arab travelers to late nineteenth-century Yiddish writers, have also identified with slow travel, usually marking its connection with community as its most distinctive feature. Espousing modes of travel that were the norm in some less developed societies became, for some writers and travelers from western Europe such as Isabelle Eberhardt, a way of engaging more seriously with those societies.

Advocates of slow travel argue that all too often the potential pleasure of the journey is lost by too eager anticipation of arrival. Slow travel, it is asserted, is a state of mind which allows travelers to engage more fully with communities along their route, often favoring visits to spots enjoyed by local residents rather than merely following guidebooks. As such, slow travel shares some common values with ecotourism. Its advocates and devotees generally look for low-impact travel styles, even to the extent of eschewing flying.

aus: https://en.wikipedia.org/wiki/Slow_movement_(culture)

Ein Gedanke zu „Slow Travel

  1. „Überholt von einer Hummel“ – der Schnellreisende grinst in sich hinein und denkt, wie absurd ist das denn. Dann fliegt er um die halbe Welt bei künstlichem Klima u stundenlang aufgezwungener starrer Körperhaltung und kriegt vielleicht am Ziel noch Kreislauf, jedenfalls aber Jetlag, weshalb er sich die nächsten Tage regenerieren muss und sich ausserdem noch in die neue Wirklichkeit reinstürzen, die ihm ganz unwirklich erscheint.
    Slow Travel ist womöglich auch eher meins.
    Die batteriegetriebenen Milchwagen der 1970er sollten als Vorbild für heutige Lieferdienste dienen.
    Danke für den tollen Text!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert