Die Stadt der Seide

Aufstieg zum Viertel Croix Rousse

Lyon hatte von jeher einen guten Ruf als Zentrum der Stoffweberei, insbesondere der Seidenherstellung. König Francois Ier hatte 1536 mit einer Steuerbefreiung oberitalienische Seidenweber hierher gelockt. Die Verleger halten die Fäden in der Hand. Sie beschaffen die Rohstoffe und handeln mit den fertigen Produkten. Hergestellt wird die Seide von den „Canuts“  in Heimarbeit. Zu Tausenden arbeiten sie in einem Viertel, wo es bald eng wird und „Traboules“ entstehen: enge, überdachte Passagen und Treppen, die Gassen verbinden. Sie ermöglichen den vor Wetterunbilden geschützten Transport der wertvollen Textilien.

Traboules in der Cour des Voraces

Mit der planmäßigen Anpflanzung von Maulbeerbäumen im 17. Jh. und der Entwicklung des mechanischen Webstuhls durch Joseph-Marie Jacquard (!) 1805 erhielt die Produktion jedesmal weiteren Auftrieb. Im 19. Jahrhundert arbeiten zeitweise 40.000 Arbeiter für etwa 800 Fabrikanten.  Im 19. Jahrhundert arbeiten zeitweise 40.000 Arbeiter für etwa 800 Fabrikanten. Die Arbeitsbedingungen sind unerträglich, und es kommt zu Beginn der dreißiger Jahre zu blutigen, aber erfolglosen Revolten der Canuts mit Hunderten von Toten.  Lyon wandelt sich im 19. Jh. zu einer dynamischen Industriestadt, aber zunächst bleiben die Seidenwebereien von großer Bedeutung. Als 1848 die Nachricht von der Abdankung des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe aus Paris eintrifft, sind es wieder die Lyoner Seidenweber, die sich erheben. Nach dem Quartier, in dem viele von ihnen wohnen, werden sie „Les voraces“  genannt.

Auslage anarchosyndikalistischer Schriften

Sie stürmen das Rathaus und die Präfektur sowie die Festungsanlagen  Croix-Rousse. Einige Zeit muss sich die Staatsmacht mit den Aufständischen arrangieren, bis die Revolte von Truppen beendet wird. Im Juni 1849 proben die „Voraces“ erneut den Auftstand, der aber sofort gewaltsam im Keim erstickt wird.

Mit dem ausgehenden 19. Jh. büßt Lyon seine Stellung als Zentrum der Seidenindustrie ein. 1930 gibt es noch rund 15.000 beschäftigte. Selbst heute sind es noch ein halbes Tausend. Im Seidenmacherviertel  sieht man gelegentlich jemanden, der an einem Webstuhl arbeitet. Produziert werden hauptsächlich Luxusobjekte, die oft für die Restaurierung europäischer Schlösser gebraucht werden wie etwa in Berlin-Charlottenburg. Auch das Weiße Haus in Washington haben Lyoneser Traditionswerkstätten mit wertvollen Stoffen beliefert.

Blick von Croix Rousse auf das Wahrzeichen der Stadt

 

 

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