Navigli und Altbekanntes

Das Viertel südlich des alten Stadttores Arco di Porta Ticinese ist von Kanälen durchzogen, die in das alte Hafenbecken Darsena münden. Hier wohnten bis ins 20. Jahrhundert Handwerker, deren kleine Häuser Wohnung und Werkstatt beherbergten. Seit den 1970er Jahren ging es mit dem Viertel bergab, vieles verfiel und verödete, bis der allseits bekannte Prozess der Gentrifizierung einsetzte. In Phase 1 kamen Künstler und Kreative, nutzten den billigen Wohnraum, gründeten Ateliers und Galerien. Cafés und Bars folgten. Phase 2: Die Szene der Amüsierwilligen folgte auf dem Fuße, die Journalisten berichteten, das Ambiente zog Investoren und Touristen an. Heute reiht sich ein Gastronomiebetrieb an den anderen. Menschen mit Rollkoffern laufen, nach ihrer bei Airbnb gebuchten Ferienwohnung suchend, an den Quais entlang, das polyglotte Stimmengewirr spricht für sich. Aber schön ist es doch…

…und Liebende finden sich zuverlässig zum Schwur ewiger Treue ein, wie an jedem Brückengeländer, an dem sich ein Vorhängeschloss anbringen lässt. Die Kanalufer sind autofrei und für Radfahrer ideal. Geht man einmal um die Ecke in Richtung U-Bahn, kommt man auch in Bereiche mit typischer Einwanderer-Infrastruktur: Falafel-Imbisse, Barbiere, Fingernägel-Verschönerungs-Salons, Tattoo-Studios usw. Die dortigen Angebote sind auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich.

Doch wir hatten ja noch etwas vor. Denn wer kann glaubhaft versichern, er sei in Mailand gewesen, wenn diese beiden Highlights fehlen?

„Welches Wunder er ist! So großartig, so ernst, so riesengroß! Und noch so fein, so luftig, so anmutig!“, schrieb Mark Twain nach seinem Mailandbesuch 1867 über den Dom, dessen Baugeschichte 1386 begann. Mailands Bischof wollte eine neue große Kirche und Mailands Herzog mithalten mit den großen Herrschern Europas. Da im Norden inzwischen die Gotik zum beherrschenden Baustil geworden war, wurden Bildhauer, Baumeister und Glaser von dort geholt, die sich dann mit den lombardischen Steinmetzen herumstreiten konnten. So wurde das, was heute vor uns steht, ein europäisches Gesamtkunstwerk. Obwohl der ehrgeizige Herzog die Arbeitszeiten verlängerte und Trödelei bestrafen ließ, wurden die Bauarbeiten erst im 20.Jahrhundert abgeschlossen. Und was hat man sich bei uns über den Berliner Flughafen mokiert…

Nach ausgiebiger Besichtigung spazieren wir hinüber zu einem Tempel anderer Art, der Mutter aller Einkaufspassagen, der Galleria Vittorio Emanuele II. Wer die bekannten Insignien des Luxus braucht, Louis-Vuitton-Taschen oder Gucci-Klamotten, kann hier fündig werden. aber es gibt auch einen ganz normalen Feltrinelli-Buchladen und eine schöne Konditorei, die Pasticceria Marchesi. Starbucks hat es noch nicht in diese Location geschafft, befindet sich aber ganz in der Nähe. Nachdem man sich durch die Menschenmassen gedrückt hat, steht man dann plötzlich vor der Scala. Aber das wie so vieles andere muss bis zum nächsten Besuch warten.

 

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