Fliegen ist die klimaschädlichste Art zu reisen. Bei der Verbrennung von Kerosin entstehen nicht nur das Treibhausgas Kohlendioxid und Wasserdampf. Auch Stickoxide, Schwefeldioxid und Rußpartikel gehören zu den Verbrennungsprodukten, die zur Erderwärmung beitragen. Ebenso die Kondensstreifen hinter dem Flugzeug, die je nach Wetterlage entstehen können. Zur Zeit beträgt der Anteil der CO2-Emissionen der Luftfahrt am weltweiten CO2-Ausstoß etwa 3 Prozent. Er ist durch die so genannten Billigflieger in den letzten Jahren gewachsen und nimmt weiter zu.
Nach Berechnungen des Portals CO2online beträgt die CO2-Emission einer Person, die von Berlin nach München reist, im Flugzeug 308 kg, im ICE 34,4 (jeweils Hin- und Rückreise). Das kann man nun für weitere Ziele entsprechend hochrechnen. Selbst durch eine freiwillige Kompensation der Emissionen kann diese Bilanz nur partiell verbessert werden. Übrigens können Fernbusse wegen der besseren Auslastung pro Strecke die noch bessere Option sein, aber in Sachen Bequemlichkeit können sie nicht mit der Bahn konkurrieren.
Während die Bahn auch im Fernverkehr eine Mehrwertsteuer von 19% abführen muss, sind internationale Flüge hiervon befreit. Dazu kommt, dass das Kerosin von der Energiebesteuerung ausgenommen ist. Beides beruht auf Regelungen der UN-Luftfahrtorganisation ICAO und wird auch auf deutschem Hoheitsgebiet praktiziert, um die Konkurrenzfähigkeit hiesiger Flugunternehmen zu schützen. So entgehen dem deutschen Staatshaushalt jährlich 610 Millionen Euro an rechtlich möglichen Steuereinnahmen, d.h. die Flugkosten der Reisenden werden indirekt subventioniert.
Bahnfahren als Trend?
Es scheint, dass ab und zu auch bisherige Vielflieger Zweifel an ihrem Tun beschleichen und zumindest die schreibende Zunft bereits einen neuen Trend ausgemacht hat. Plötzlich wimmelt der Buchmarkt nur so von Büchern übers Bahnfahren, die Europa mit dem Zug, Zugvögel oder Legendäre Zugreisen heißen. Die humorvoll-skurrile Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen von Jaroslav Rudiš, die es in die Spiegel-Bestsellerliste schaffte, ist eines davon. Rudiš bezeichnet sich selbst als „Eisenbahnmenschen“, als jemanden, der die modernen Schnellstrecken meidet und am liebsten ganz langsam reist. Ein Kapitel seiner Hommage heißt Wirtshaus auf Schienen und rühmt die traditionellen Speisewagen, insbesondere den von Herrn Peterka betreuten auf der Strecke Prag-Hamburg. Dort wird noch richtig in Pfannen gebrutzelt und fast alles frisch zubereitet. Selbst wenn man nur von Dresden nach Berlin will oder umgekehrt, bleibt Zeit genug für die famosen Kalbsbäckchen mit Linsen nebst einem gezapften Budweiser. Einmal hat Rudiš mit zwei Freunden die mit der BahnCard gesammelten Punkte in ein Tagesticket Samstag eingetauscht, gültig von Samstag 0 Uhr bis Sonntag 10 Uhr: „Vierzig Stunden Eisenbahn, 2600 Kilometer, vierzehn Züge, hundert Geschichten“ kamen dabei heraus, Weißwurst mit Brezen in München, Fischbrötchen in Kiel, die Überquerung der drei schönsten Flüsse Mitteleuropas auf einer Eisenbahnbrücke und ein kurzes Bad in der Ostsee. Aber für solche Unternehmungen braucht es schon eine eiserne Kondition und die Fähigkeit, in allen Sitzpositionen ein Nickerchen zwischendurch machen zu können.
Nachtzüge und Perspektiven
Interessant ist auch, dass im europäischen Raum der Nachtzug eine unerwartete Renaissance erlebt. Während die Deutsche Bahn schon 2017 ihren Nachtbetrieb einstellte, hat die österreichische ÖBB diesen teilweise übernommen und weiter ausgebaut. Neue Strecken sind in Planung. Zur Zeit kann man im Schlafwagen von Hamburg nach München reisen und von dort wiederum nach Mailand, Rom oder Venedig. In Italien betreibt Trenitalia ein dichtes Netz an Nachtzügen, z.B. von Turin und Rom nach Syrakus und Palermo auf Sizilien oder nach Lecce in Apulien. Wegen der Pandemie wurde die Verbindung Venedig-Mailand-Lyon-Paris 2020 vorübergehend eingestellt.
Ein anderes Kaliber hat das französische StartUp Midnight Train, das an die alten Zeiten anknüpfen will, in denen ab 1883 der Orientexpress von Paris nach Konstantinopel rollte und die „bessere“ Gesellschaft im Salonwagen mit dem seinerzeit möglichen Luxus bei Laune hielt. Midnight Train will der betuchten Kundschaft ein rollendes Hotel mit Privatsuiten, eigenem Bad, Zimmerservice, Cocktailbar und saisonalen Menüs bieten. Man darf gespannt sein, ob die Züge 2024 tatsächlich an den Start gehen. Zukunftsmusik sind auch noch Pläne, mit Zügen, die 300 Stundenkilometer schaffen, in zwölf Stunden von London nach Madrid zu fahren. Die Züge gibt es zwar schon, aber die Strecken sind noch nicht entsprechend ausgebaut.
Reine Science-Fiction ist vorläufig Hyperloop, eine Idee des Milliardärs Elon Musk. Hochgeschwindigkeitszüge sollen bei Unterdruck durch Röhren geschossen werden, die auf Stelzen neben den Autobahntrassen verlaufen. Dank geringer Reibung und dem Gleiten auf einem Luftpolster könnten so über 1000 Stundenkilometer erreicht werden. Erste Tests wurden bereits durchgeführt, aber bis zur Produktreife wird es wohl noch ein Weilchen dauern. Immerhin hat der Mann ja schon einiges zu Wege gebracht.
Erfahrungen
Es dürfte wohl deutlich geworden sein, dass hier Bahnfans um Gleichgesinnte werben. Kindliche Prägungen, Urlaubsreisen mit den Eltern und deren Freunden im Liegewagen nach Österreich, eine unvergessliche Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau über Urumtschi nach Peking im Jahr 1981, unerquickliche Erlebnisse mit EasyJet, … vieles mag dazu beigetragen haben, dass das Bahnreisen zu einer Leidenschaft geworden ist. Das Zusammenbasteln von Strecken am Computer kann Spaß machen, Buchungen im Ausland, ob bei der Schweizer SBB, der italienischen Privatbahn Italo oder der französischen SNCF kann dank deutschsprachiger Websites jeder machen, der eine Kreditkarte besitzt. Man kommt auf langen Fahrten mit Leuten ins Gespräch, man kann wechselnde Landschaftsbilder auf sich wirken oder sich sanft in den Schlaf schaukeln lassen und hat auf jeden Fall viel Zeit zum Lesen.
Sicherlich wird viel über die Deutsche Bahn geklagt, zum Teil zu Recht. Wenn die abweichende Wagenreihung zur Regel wird, gebuchte Plätze einfach nicht da sind, weil ein Wagen einer anderen Baureihe eingesetzt wurde, im Bordbistro wieder einmal „nur Kaltgetränke“ zu haben sind, fragt man sich schon, wie ein solches Organisationschaos zustande kommt, das man im Ausland bisher noch nicht erlebt hat. Andererseits kann eine Verspätung oder ein Zugausfall, der durch einen so genannten „Personenschaden auf der Strecke“ zustande gekommen ist, nicht dem Unternehmen zur Last gelegt werden. Wir sind in einem solchen Fall (am Informationsschalter hieß es unverblümt: „ein Selbstmord“) sehr unbürokratisch und schnell mit dem Bus von Dresden nach Prag gebracht worden. Bei längeren Verspätungen haben wir mehrfach von den Fahrgastrechten Gebrauch gemacht und etwa für zwei Stunden Verzögerung auf der Fahrt nach Lyon die Hälfte des Reisepreises erstattet bekommen.
Wenn man einmal den Charme des langsamen Vorankommens entdeckt hat, nicht gerade einen wichtigen Termin oder den einzigen Anschlusszug des Tages verpasst, kann man die Sache auch gelassen sehen und wie Rudiš in der Bahnhofsgastronomie eine Bockwurst mit Senf zu sich nehmen. In modernen Bahnhöfen sind durchaus auch vegane Haferbreie und Avocado-Wraps zu bekommen! Dennoch muss sich die Deutsche Bahn noch anstrengen, wenn sie zu einer ernsthaften Alternative für Inlandsflüge werden will. Denn die sollte es wirklich nicht mehr geben!